Donnerstag, 17. Juni 2010
Hafenluft II
Bahnhofsstation

Sie standen nebeneinander an der Bahnstation. Sie starrte auf die Anzeige, auf welcher zu lesen war, dass der Zug in 6 min fahren sollte. Manchmal wechselte die Anzeige zu den neusten Informationen der Hochbahn. Sie wusste, dass er sie beobachtete. Jeden ihrer Atemzüge. Sie im Gegenzug tat dies auch, wenn auch nicht wirklich bewusst. Ihr Schweigen rührte nicht daher, dass sie sich nichts zu sagen hatten. Es war entstanden durch das Verlangen und die Spannung die zwischen ihnen herrschte.
„Ich bringe dich nach Hause.“ Seine sanfte und doch herrschende Stimme, brach die Stille. Mit einem Ruck drehte sie den Kopf zu ihm. Etwas trotziges lag in ihren Augen. Sie konnte alleine nach Hause fahren, sie brauchte keinen Aufpasser. Und eigentlich kannte sie ihn nicht. Doch diese Gedanken lösten sich auf, als sie ihm direkt in die Augen schaute. Diese schienen im Dunkeln zu leuchten. Doch nun waren sie ruhig und freundlich. Sie hatten nicht mehr dieses Feuer, wie vorhin auf der Hochterrasse über dem Hafen. Die Felidin blinzelte. „Danke“ antwortete sie knapp, aber bestimmend. Er lächelte zurück und bewegte seine Pfote ein Stück nach oben, ließ sie dann aber wieder sinken. Ein normaler Mensch hätte diese minimale Bewegung nicht bemerkt, doch der Katze war es nicht entgangen. Noch bevor sie darauf reagieren konnte, schallte Gelächter die Treppen zum Bahnsteig herauf. Es waren Jugendliche, welche von einer Clubtour auf dem Nachhause weg waren. Es waren zwei Falken-Jungen und zwei Mäuse-Mädchen. Das Quartett gab eine komische Truppe ab. Die Mädchen schien leicht angetrunken zu sein, denn sie kicherten ständig und torkelten ein wenig, was allerdings bei den Schuhen die sie trugen nicht unverständlich waren. „Meine Pfoten tun weh“ jammerte die eine Maus. „Soll ich dich tragen“ antwortete der Buntfalke keck, woraufhin ihre Freundin anfing zu kichern. Sie zogen an den beiden Feliden vorbei und blieben in einiger Entfernung stehen. Dann hörte man das Rattern des Zuges.
Während der Fahrt hatte sich der getigerte Kater ihr gegenüber gesetzt. Sie hätte es lieber gehabt, wenn er neben ihr gesessen hätte. Sie unterhielten sich darüber woher sie kamen und wo sie nun wohnten. Er lebte noch nicht lange in der Stadt und war wegen seinem Job hierher gezogen. Er fragte sie einige Dinge über ihr Leben. Dabei bekam er einen neugierigen Gesichtsausdruck.
Sie wollte über sein Gesicht streichen und seine Leftzen abschlecken. Sie schaute sich um. Das Abteil war fast leer. Plötzlich erklang die Durchsage der nächsten Station. „Oh wir müssen ja schon raus.“ Er lachte auf. „Ja wenn du das sagst. Ich weiß nicht wo du wohnst.“ Als sie aus der Bahnstation ins Freie traten, drehte sie sich zu ihm um. „Du musst nicht mitkommen. Es sind noch 10 min Fußweg. Das schaffe ich auch alleine.“ Er stand so nah bei ihr, dass sie ihren Kopf ein wenig in den Nacken legen musste. „Nein ich werde dich bis nach Hause bringen.“ Er lächelte wieder sein bezauberndes Lächeln. Er trat an ihr vorbei und griff nach ihrer Pfote. „Ich glaube wir müssen uns beeilen, sonst werden wir noch nass.“ Sie schaute hoch und sah, dass die Sterne verschwunden waren unter einer dunklen Wolkendecke. Trotz dass sie schnell gingen, holte sie der Schauer ein und sie mussten die letzten paar Meter laufen. Schnell atmend standen sie unter dem Vordach des Hochhauses. „Hier wohnst du also.“ Er schaute an dem Gebäude hoch. „Ich hätte erwartet, dass du in einer Villa wohnst.“ Er grinste. Seine Fell zwischen den Ohren stand hoch und sah damit frech aus. Es glänzte vom Regen. „Nein, wie kommst du darauf?“ Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Haustürschlüssel. Als sie den Schlüssel aus der Tasche zog und ihn anschaute, war er wieder da, dieser Blick, dieser erwartungsvolle neugierige Blick. Sie wollte nicht, dass er weg ginge. Er sollte bei ihr bleiben. Sie wollte, dass er sie wieder so küsste wie vorhin am Hafen und ihr den Rücken kraulte. Die Felidin steckte den Schlüssel ins Schloss und betrat das Treppenhaus. Sie sah ihn mit einem Blick an, der unmissverständlicher nicht sein konnte. Er sog ihren unverwechselbaren Duft ein und folgte ihr.



Mittwoch, 16. Juni 2010
Hafenluft
Ihr Fell glänzte im flackernden Neonlicht. Sie hatte schon eine Weile vor sich hin getanzt, als sie ihn sah. Er war groß gewachsen und hatte eine gute Statur. Er war ihr hier schon ein paar Mal aufgefallen und doch hatten sie sich nur für kurze Momente angesehen und waren dann wieder in der Masse verschwunden. Doch heute sollte es anders sein.
Sie hatte keine Lust mehr dieses Spielchen zu spielen. Sie waren doch erwachsen.
Sie wollte sich gerade zu ihm durch schlängeln, als sie merkte, dass er dem Ausgang gefährlich nahe kam, zumal er seinen Mantel dabei hatte.
„Na willst du schon gehen? Die Party hat doch gerade erst angefangen!“ Sie lächelte ihn mit ihrem schmeichelhaftesten Lächeln an. „Naja du kannst ja mitkommen.“ Er sagte es mit der Verständlichkeit von Vertrauten. Sie holte ihre Jacke und so standen sie wenig später auf der überfüllten Straße. Die Lichter um sie herum waren grellen und beißend. „Kommt wir gehen zum Hafen herunter. Es ist eine schöne Nacht.“ Die beiden liefen den Kiez schweigen bis St. Pauli herunter. Immer wenn er angesprochen wurde, knurrte er auf eine Weise, die sie lächeln ließ. Sie konnte sich nicht erklären warum. Warum hatte er so eine Wirkung auf sie?
Während sie in die ruhigen Straßen der Stadt ein bogen und auf den Hafen zu steuerten, erzählte er ihr ein wenig von sich und warum er schon immer gerne auf diese spezielle Party gegangen war.
Er war in einem großen Unternehmen tätig und besetzte eine höhere Stelle. Er wohnte etwas außerhalb der Stadt. Mittlerweile hatten sie den Hafen erreicht. Es war totenstille. Nur die Wellen klatschten an den Pier und die großen Schiffe sahen aus wie Riesen.
Sie stiegen auf eine erhöhte Terrasse. Ihr Lachen erhellte den Hafen und ließ ihn wieder lebendiger werden. Es war ein schöner sternenklarer Himmel. Die Hitze des Tages war immer noch zu spüren, doch es hatte sich schon etwas abgekühlt, sodass der Nordwind wie Seide über ihr Fell strich.
„Bist du schon mal mit einem Schiff gefahren?“ Sie lehnte sich an ein Geländer und starrte auf die Elbe hinaus. Dieser Anblick versetzte sie immer in eine gewisse Stimmung, von der sie nie genau sagen konnte, ob es Melancholie oder Zufriedenheit war. „Nicht wirklich, jedenfalls nicht mit so einem riesigen Dampfer wie der Titanic.“ Plötzlich spürte sie seine Wärme an ihrem Rücken. Er war nahe an sie heran getreten und legte nun von hinten seine Hände auf ihre Arme. Dann spürte sie seinen Atem an ihren Hals. Sie zitterte und schloss die Augen. Was tat er da? Warum reagierte sie so heftig auf seine Nähe? Es schien so als würde sie und ihr Wille in seiner Gegenwart schmelzen. Alles schien egal. Sie drängte sich näher an ihn und drehte ihren Kopf ein wenig. Sie spürte wie seine Zähne über ihren Hals fuhren und an ihr knabberten. Er hielt sich am Geländer fest, sodass sie gefangen war. Trotzdem drehte sie sich um und schaute ihn direkt in seine grünen Augen. Diese schienen in der Nacht zu funkeln. Es war kein aggressives Funkeln, sondern ein lustvolles Funkeln. Er blinzelte und lächelte sie an, dann beugte er sich zu ihrem Ohr. „Du bist einfach zu verführerisch, als dass ich meine Pfoten von dir lassen könnte.“ Er fing an ihrem Ohr an zu knabbern. Tief in ihrer Kehle stieg ein Schnurren auf. Sie legte ihre Pfoten um sein Hüfte und zog sie an ihn heran. Er ließ das Geländer los und umschloss mit seinen Pfoten ihren Hals, sodass sie ihn anschauen musste. Mit seinem Pfotenballen strich er über ihre Wange und schleckte über ihre Leftze. Sie öffnete ihr Maul, sodass er auch ihre Reißzähne berührte. Dies jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Die Felidin schloss die Augen noch fester, weil sie glaubte sie würde träumen und sie wollte nicht wieder aufwachen. Der Kater fing an ihren Hals zu lecken und an zu knabbern, dabei strichen seine Pfoten über ihren Rücken herunter zu ihrem Po, den er langsam an fing zu massieren. Ihr Schwanz zuckte mit jeder seiner Bewegungen. Sie schob ihre Pfoten in seinen offenen Mantel und fühlte den Stoff seinen Hemdes. Am liebst hätte sie es zerrissen, doch sie wollte sich beherrschen. Sie wollte nicht zu rollig erscheinen. Mittlerweile waren seine Hände unter ihre Kleidung gewandert in Richtung ihrer Brust. Dabei löste dies ein kribbeln auf ihrer Haut aus, da er gegen ihre Fellrichtung strich. Aus ihrer Kehle dran gurrende Laute. Sie sog die frische Luft ein, welche mittlerweile nach purer Lust roch.
Dann plötzlich schepperte es in einiger Entfernung und sie zuckte hoch. An der Treppe stand jemand und beobachtete sie. „Hey ihr da!“ lallte es und es schien als würde der ganze Hafen wieder hallen. „Gesindel! Hab ihr kein Zuhause? Ach ich vergaß, Mutationen leben ja auf Bäumen!“ Er lachte ein gehässiges Lachen. Der Felide schloss seine Arme in ihrem Rücken zusammen und zog sie beschützend an sich. „Ich glaube nicht, dass du alter Mann darüber urteilen kannst.“ Er nahm ihre Pfote und flüstere ihr ins Ohr. „Komm wir gehen, das hier ist nicht der ruhigste Ort in der Nacht.“ Sie folgte ihm, während ihr Blick über den Hafen schweifte. Das Meer gluckerte unter ihnen und die Sterne funkelten. Es war der ruhigste Ort in der Nacht. Nur es gab Menschen. Menschen die alles zerstörten.